27.08.2018 -
Fortsetzung....: Alles was wir anpacken kann schiefgehen und verbiegen, doch ist es besser zu lernen, wie man Verbogenes wieder gerade biegen kann, als die Kraft zu vermindern und das Verbiegen zu verhindern. Das ist der Erfolgsfaktor: schneller scheitern, nicht weniger häufig. Mit der Vergangenheit brauchen wir uns eigentlich auch nicht plagen. Wir brauchen die alte Spezifikation nicht weiter zu optimieren, sondern wir müssen für das neue große Ziel eine neue großartige Spezifikation schreiben.
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27.08.2018 -
Dies ist ein Auszug aus dem Buch "Der Projektmanager und Fräulein Sophie" von Dr. Roland Ottmann, das bald in neuer Auflage erscheint. Sie haben Teil 1 verpasst? Diesen können Sie hier nachlesen.
Alles was wir anpacken kann schiefgehen und verbiegen, doch ist es besser zu lernen, wie man Verbogenes wieder gerade biegen kann, als die Kraft zu vermindern und das Verbiegen zu verhindern. Das ist der Erfolgsfaktor: schneller scheitern, nicht weniger häufig. Mit der Vergangenheit brauchen wir uns eigentlich auch nicht plagen. Wir brauchen die alte Spezifikation nicht weiter zu optimieren, sondern wir müssen für das neue große Ziel eine neue großartige Spezifikation schreiben.
Warum wollen wir uns für unsere europäische Heimat nicht ein unvernünftig hohes Ziel setzen? Wenn wir das täten, würden wir beginnen, revolutionäre Konzepte und Problemlösungsansätze zu entwickeln. Das wäre die Grundlage dafür, die eigenen Erwartungen zu übertreffen. Dann setzen wir den Plan auf.
Dabei helfen uns die W-Fragen:
- Was? – Dies ist die Frage, die zur Problemdefinition und dann zur Problemanalyse führt.
- Warum und wozu? – Das sind die Fragen, die uns zur Ursachenforschung bringen.
- Wie? – Die Frage, die zur Umsetzungsplanung führt.
- Wer? – Das ist die Frage, die die Spieler und Rollen der Spieler definiert.
Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt! Wir müssen zum Handeln kommen. Dabei darf jedes nützliche Hilfsmittel genutzt werden. Wir dürfen dabei auch experimentieren (großartige Neuerungen sind häufiger das Ergebnis von Experimenten als großer Strategien oder erstklassiger Prozesse). Experimentieren hat auch immer eine spielerische Komponente. Wer spielt, der lernt – abschätzen, kalkulieren, entscheiden und auch mal zu verlieren. Aus verlorenen Spielen, den missglückten Experimenten, aus den Niederlagen, lernt man viel mehr als aus den gewonnenen Partien. So oder so, es wird etwas erreicht werden und das Erreichte müssen wir kritisch überprüfen. Bringt uns doch das Ergebnis wieder einen Schritt dem Ziel näher. Passt das, was erreicht wurde oder muss irgendwo noch einmal nachgearbeitet werden? Haben wir gelernt Rückschläge zu akzeptieren? Rückschläge sind ganz und gar unausweichlich. Wir werden viele Fehlgriffe machen, bevor uns das Klavierstück fein gespielt in die Finger übergeht. Wir sind schon wieder beim Spiel!
Ich beschäftige mich in meinem Alltag mit Projekten, mit „professionellen“ Unternehmensprojekten und in meiner Freizeit mit Projekten in Vereinen oder Verbänden (das geschieht dann in der Regel eher auf Amateurebene). Wenn ich dann meine Mitspieler so ansehe und ihr Tun und Handeln beobachte, fällt mir bei einigen Leuten extrem der Unterschied zwischen Profis und Amateuren auf. Allzu häufig spielen die Profis nur wegen des Geldes, leider. Warum spielen die Amateure? Sie spielen aus Liebe zum Spiel, sie spielen mit Hingabe, bringen Herzblut ein. Bei ihrem Spiel sieht man die Leidenschaft und das Interesse an der Tiefgründigkeit. Noch ein großer Unterschied sticht ins Auge: Der Profi ist an eine Organisation häufig mit Vertrag gebunden, er bewegt sich dort fremdbestimmt. Der Amateur hingegen ist ein freier, vertraglich ungebundener Mensch; dort wo er seine Spielumgebung festgelegt hat, bewegt er sich so, wie er es für richtig empfindet. Das bedeutet nicht, dass er sich nicht an Regeln hält oder keine Anweisungen entgegennimmt, aber er muss deutlich besser in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden, wenn man nicht seinen Weggang riskieren möchte. Der Amateur spielt und ist leidenschaftlich, die Leidenschaft interessiert sich nur für das, was sie befriedigt.
Jeder von uns ist in seinem Leben bereits gescheitert. Ich bin so oft gefallen und dabei habe ich mir nicht nur das Knie aufgeschlagen. Das gehört dazu, aber eben auch das Wieder-zur-Besinnung-kommen und aufstehen. Ob eine gescheiterte Freundschaft oder eine zerbrochene Ehe, eine Fehlentscheidung als Führungskraft oder falscher Umgang mit Freunden und Kollegen, wir straucheln und fallen. Wir tragen Blessuren und Narben davon. Wir legen aber auch einen Schatz an Erfahrungen an. Vielleicht sind wir beim nächsten Mal weniger selbstverliebt oder egozentrisch. Wir binden dann vielleicht eher die richtigen Leute in unsere Entscheidungen mit ein. Wir wählen unsere Partner und Begleiter sorgsamer aus. Wir gehen behutsamer mit anderen Menschen und ihren Gefühlen um. Wir hören auf den Rat von Menschen, die mehr Erfahrung haben und, und, und. Die Liste lässt sich beliebig erweitern, die Kiste unserer Erfahrungsschätze immer weiter auffüllen – möglicherweise mit den Erfahrungen meines Scheiterns, aber wenn ich clever bin, auch mit den Erfahrungen des Scheiterns anderer Menschen. Der Weise lernt von den Fehlern und Erfahrungen anderer, der Tor muss jede Erfahrung und jeden Fehler selbst machen. Bei all meinem Tun kann ich versuchen mit gutem Beispiel voranzugehen. Es macht keinen Sinn über das Wetter, die Politik, den Verkehrsstress zu lamentieren. Wenn mir etwas nicht passt, muss ich die Veränderung herbeiführen, die ich haben möchte. Ich muss dann eben auf das Rad oder die Bahn umsteigen, die richtige Kleidung wählen und mich politisch einmischen. Ich bin im Fluss, alles ist in Bewegung, nichts bleibt wie es ist. Ich lerne die Unbeständigkeit zu lieben, weil darin viele Chancen enthalten sind. Es gilt sie nur freizulegen und mit ihnen zu spielen. Ich kann mir auch immer wieder die Fragen stellen: Was fehlt? Was ist nicht da? Worüber spricht in meinem Fachverband, in meinem Verein oder in meiner Firma niemand?
In der Mitte der neunziger Jahre wurde ich Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e.V. – GPM. Ich stellte mir die Fragen, was fehlt? Worüber spricht niemand? Es fehlte ein Preis für spitzenmäßige Projektmanager, es sprach niemand über die Projektmanager, die exzellente Teamarbeit und ausgezeichnete Projektarbeit verrichteten. Mit der Schaffung des Project Excellence Award konnten wir die Organisation GPM neu erfinden. Auf dem blinden Auge muss man sehend werden.
Die tiefe Detailkenntnis des Systems hilft uns nicht, den Blick über den Tellerrand zu werfen. Mit Allem und Jedem auf Du und Du zu sein schafft eine Pseudosicherheit, die mir den Blick verstellt. Besser ist es, sich in die Welt zu stürzen und zu sehen wer hinter dem Berge haust und woher der Sturmwind braust. Der Weg über den Berg trägt nicht zur Steigerung meines Sicherheitsgefühls bei. Doch der Gewinn ist unschlagbar, denn mit jedem neuen Weg, den ich gehe, beraube ich mich meiner Vorurteile und Limitierungen, ich gewinne meine An- und Einsichten, ich bin klüger als zuvor. Bei all dem was ich tue und mache, muss ich die Freude amateurhaften Spielens haben. Das Leben ist zu kurz um sich zu langweilen. Der nächste Weg will gegangen, der nächste Berg bestiegen werden. Dass ich stolpern und auch einmal ausrutschen werde, weiß ich. Was ich nicht weiß ist, wo das sein wird.
Ich versuche bescheiden in guten Zeiten zu sein und Lernbereitschaft in schlechten Zeiten zu zeigen. Das erfordert Disziplin. Doch das ist es, Disziplin, Stärke und Respekt und niemals Zorn! Das lehrt mich der Blick in die Geschichte großer Anführer: „Lasse niemals deinen eigenen Stolz, dein Streben nach Ruhm und Ehre die Oberhand gegenüber den als allgemein gültig empfundenen Moralvorstellungen gewinnen.“ Dann werde ich nämlich unnötige, grobe Fehler machen und das kann zum großen Absturz und endgültigen Scheitern führen.
Da bin ich, ein nicht perfekter Mensch mit Begrenzungen. Doch ich bin in guter Gesellschaft mit allen anderen Menschen und ihren Begrenzungen und dann müssen wir alle auch noch unser fein geschnürtes Päckchen mit uns herumtragen. Ich kann meinen Blick auf jeden dieser unperfekten Menschen (auch auf mich!) ändern. Ich versetze mich damit in die verzeihende Perspektive. Ich kann bewusst auf Schadenfreude verzichten, wenn wieder einer von uns scheitert, fällt und sich weh tut, bewusst das Selbstmitleid beiseite lassen, wenn ich mich wieder mal gestoßen habe. Ich gewinne eine verzeihende Sichtweise und dabei erkenne ich, dass sich dadurch der gesamte Mensch in meinem inneren Auge ändert. Jeder von uns macht Fehler, doch gibt es mir eine tiefe Befriedigung, wenn ich richtig darauf reagiere. Nach dem Fehlverhalten kann ich durch Selbstbeherrschung, Weisheit im Handeln, Klarheit in meiner Rede und liebevoll im Umgang mit dem Menschen eine Richtung finden oder eine Antwort geben. Mein Verhalten ist persönlich, positiv, gefühlsbetont und gegenwärtig. Habe ich einen Fehler gemacht, kann getrost davon ausgegangen werden, dass ich an mir arbeiten und aus meinen Fehlern lernen werde. Ich arbeite daran, mich zu bessern. Ich habe noch genügend Möglichkeiten neue Fehler zu machen, deshalb werde ich auch hart daran arbeiten einen Fehler nicht zweimal zu begehen. Neben der bereits angesprochenen Lernbereitschaft bedarf es großer Sensibilität. Ein Mensch mit einem dicken Fell verliert die Sensibilität, kann aber auch ohne Rückgrat stehen! Da bevorzuge ich doch die dünne Haut wegen der besseren Empfindsamkeit und das Rückgrat, damit ich aufrecht durch mein Leben gehen kann.
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