17.09.2018 -
Dies ist ein Auszug aus dem Buch "Der Projektmanager und Fräulein Sophie" von Dr. Roland Ottmann, das demnächst in neuer Auflage erscheint.
Konkurrenzdruck und häufige Reisen, berufsbedingte Wechsel des Wohnorts, Beruf und Familie in Balance halten, permanenter Leistungsdruck und anhaltende Zeitnot – und am Schluss bin ich ausgebrannt. Was kann ich als Manager im Zeitalter von fortschreitender Globalisierung und 24/7-Verfügbarkeit tun, damit mich der Stress nicht fertig macht?
Erst kürzlich hat mir ein Kollege erzählt, wie gestresst er ist. Er meinte, um den nervenzehrenden Stress auf einen ruhigen Pegel herunterzufahren, bräuchte er drei Wochen Urlaub. Er meinte auch, dass ihn kritische Situationen zu wahnsinnigem Herzklopfen brächten. Aber, fügte er etwas betrübt hinzu, da muss man als Manager eben durch. „Wir können die Karten nicht ändern, die uns zugeteilt wurden, aber die Art und Weise, wie wir das Blatt spielen.“ Das sagte Randy Pausch bei seiner sprichwörtlichen letzten Vorlesung. Er verstarb kurze Zeit später an unheilbarem Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Sicher, es gibt viele Möglichkeiten, mit den verschiedenen Formen von Stress umzugehen, aber wer von uns hat schon die Zeit sich jeden zweiten Tag in die Sportsachen zu quälen und ausgiebig Rad zu fahren, auf ausgetretenen Waldwegen zu joggen oder bei 90 Grad in der Sauna zu schwitzen. Zugegeben, Entspannungsübungen sind ja ganz gut, aber 30 Minuten am Stück ruhig liegen bleiben und Barockmusik hören, das ist nicht jedermanns Sache. Und außerdem bringt das, außer vielleicht verlorener Zeit und einem dicken Muskelkater, doch eh alles nichts.
Einverstanden, ich habe keine Zeit (oder müsste es besser heißen, ich teile die Zeit falsch ein?), auch nehme ich eher meine Karriereplanung vor, als dass ich Entspannungstechniken anwende (oder müsste es besser heißen, ich setze die Prioritäten nicht richtig?). Okay, ich brauche also eine Entspannungsübung, die schnell geht, keine körperliche Anstrengung erfordert, die ohne mich zu bewegen, am besten vom Bürostuhl aus, zu praktizieren ist. Geht nicht, sagen Sie. Geht doch!
Ich spitze meine Lippen und lasse jetzt die Luft aus den Lungen mit etwas Druck über die Lippen streifen. Richtig! Ein Pfeifton ist entstanden. Und damit habe ich die Basis für eine wunderschöne Entspannungstechnik geschaffen, die ich bei Stress zur Perfektion bringen kann. Denn wenn ich gestresst bin und kein Ausweg zu finden ist, wenn mir das Projekt über den Kopf wächst und ich nicht mehr weiter weiß, dann brauche ich nicht mehr resignieren, sondern ich pfeife mir ein Lied. Damit ich mit dem Fiepen meinen Kollegen oder meiner Familie nicht auf die Nerven gehe, nehme ich dazu das Lied „The Dynamic Project Manager’s Song“, ein Lied, das ich von einem norwegischen Kollegen habe und das man als Projektmanager unbedingt kennen muss.
The Dynamic Project Manager’s Song
(Melodie und Text frei nach Monty Pythons Schlusssong aus „Life of Brian“ – „Always look on the bright side of life“)
Intro: Some customers are bad,
Others make you mad
and cost control can make you swear and curse.
But! When you’re stuck in project’s grizzle,
don’t grumble, give a whistle
and whistle help things turn out for the best!
1st Chorus: So, always look on the bright side of life
Everybody: Always look on the bright side of life
If bottom line is rotten
and we seem all forgotten,
our cash flow keeps us sweating every night.
With our progress in the dumps
we’re not silly chums
we purse our lips and whistle clear and bright:
2nd Chorus: We always look on the bright side of life
Everybody: Always look on the bright side of life
Plan’s a piece of shit, when you look at it
and now we are attacked by TQM
for life is quite absurd, and quality a word
that shakes Dynamic Project Management:
3rd Chorus: But always look on the bright side of life
Everybody: Always look on the bright side of life
Management is fun, it really turns you on
and „cost“ a laugh, and „time“ a joke, it’s true
you see it’s all a show, keep laughing as you go.
Remember that the last laugh is on you.
Last chorus: We always look on the bright side of life
Everybody: Always look on the bright side of life at maximum strength!
We always look on the bright side of life,
always look on the bright side of life.
... Also, dann pfeife ich mir mal eins. Und dann?
Zumindest hat mir das geholfen mit dem kurzfristigen Stress fertig zu werden. Doch wie sieht es mit dem langfristig aufgebauten Stress aus?
Hier muss ich für meine Projekte die notwendigen Ressourcen schaffen und auch auf meine persönlichen Ressourcen achten. Mein Augenmerk richte ich auch auf die Projektkultur, Personalentwicklung und Gesundheitsförderung. Ich greife auf meine sozialen Ressourcen, d. h. meinen beruflichen Wirkungskreis, mein familiäres Umfeld und meinen Freundes- und Bekanntenkreis zurück. Ich verbessere meine psychischen Ressourcen, d. h. ich erarbeite mir Verarbeitungsstrategien, schaffe Raum für Erholung und steigere meine psychische Widerstandsfähigkeit. Ich berücksichtige meine körperlichen Ressourcen, ich lege Wert auf ausgezeichnete Ernährung und viel Bewegung und ich verzichte auf den Konsum von Suchtmitteln (Alkohol, Nikotin und was es da noch so alles gibt).
Wichtig ist also neben der Frage der Projektkultur der persönliche Umgang mit Stress. Empfinde ich den Stress als etwas Negatives oder gelingt es mir, den Stress als Chance zu begreifen? Ich kann Zeitfenster für meine Verfügbarkeit definieren (während des Tages und im Jahresablauf) und ich habe den Mut mein iPhone auszuschalten. So, und nun frage ich mich, ob bei mir körperliche Symptome wie z.B. Magen- oder Darmbeschwerden, Rückenschmerzen, Herzrhythmusstörungen oder Tinnitus vorliegen. Bin ich erschöpft und leide ich unter Schlaflosigkeit? Wenn ja, muss ich herausfinden welcher Stresstyp ich bin, um mir meine persönliche Strategie im Umgang mit Stress zu erarbeiten!
Was mache ich, wenn ich mit meinem Auto auf der Autobahn fahre und plötzlich auf dem Armaturenbrett rote Warnlichter aufblinken? Ich fahre selbstverständlich rechts ran und stelle das Warndreieck auf. Dann schaue ich mir vielleicht den Motorraum an, beseitige entweder die Ursache, fahre in die Werkstatt zur Reparatur oder lasse mein Auto abschleppen. So oder ähnlich würden wir alle reagieren. Wir sind sofort achtsam, schützen uns und andere, indem wir warnen, die Fehler beseitigen und das Auto reparieren. Was mache ich, wenn bei mir selbst „die rote Lampe“ angeht? Dann überklebe ich sie entweder oder ich hole einen Hammer und schlage sie kaputt. Dann gebe ich wieder Gas!
Eigentlich müsste mich mein desolates Verhalten ziemlich betroffen machen und wachrütteln. Natürlich, es gibt ständig Stress. Ich arbeite zu viel, rauche wie ein Schlot, ärgere mich über alles Mögliche, habe kleinere und größere Gesundheitsprobleme usw. usf. Wenn ich mich in unserer Gesellschaft umschaue, zerschlagen viele meiner Zeitgenossen ständig ihre „Warnlampen“. Uns selbst nehmen wir nicht ernst. Statt in die „Werkstatt“ zu fahren, trinke ich literweise starken Kaffee, zünde mir immer bei Stress eine Zigarette an, lenke mich ab, indem ich stundenlang in die Glotze schaue, futtere mich mit Junk-Food krank, trinke zu wenig Wasser, nehme Tabletten um meinen Kopfschmerz zu betäuben und immer mehr vergrabe ich mich in die Arbeit. Ich schaue nicht nach rechts oder links.
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