15.03.2017 -
Da greift ein Mensch kraftvoll in mein Leben ein und ich
muss mir die Frage stellen, ob er das darf. Oder muss ich mir vielleicht noch besser die Frage stellen, ob ich das zulassen darf?
Am frühen Nachmittag eines wunderschönen Samstags beschließe ich noch etwas für unsere Terrasse aus dem Baumarkt zu
holen. Mit dem Auto fahre ich die wenigen Kilometer dorthin. Ich
biege auf einen leeren Parkplatz ein und weil ich zu schräg stehe,
stoße ich noch einmal zurück um meine Position zu korrigieren. Ich
bin vollständig aus dem Parkplatz ausgefahren. Als ich nun wieder in
die Parkbucht einfahren will, stellt sich von der anderen Seite kommend ein anderer Baumarktbesucher auf den von mir angesteuerten
Parkplatz.
Der andere Autofahrer ist im Bruchteil einer...
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15.03.2017 -
Da greift ein Mensch kraftvoll in mein Leben ein und ich muss mir die Frage stellen, ob er das darf. Oder muss ich mir vielleicht noch besser die Frage stellen, ob ich das zulassen darf?
Am frühen Nachmittag eines wunderschönen Samstags beschließe ich noch etwas für unsere Terrasse aus dem Baumarkt zuholen. Mit dem Auto fahre ich die wenigen Kilometer dorthin. Ich biege auf einen leeren Parkplatz ein und weil ich zu schräg stehe, stoße ich noch einmal zurück um meine Position zu korrigieren. Ich bin vollständig aus dem Parkplatz ausgefahren. Als ich nun wieder in die Parkbucht einfahren will, stellt sich von der anderen Seite kommend ein anderer Baumarktbesucher auf den von mir angesteuerten Parkplatz.
Der andere Autofahrer ist im Bruchteil einer Sekunde zu meinem Parkfeind mutiert, er hätte doch problemlos auf dem Parkplatz auf der anderen Seite stehen bleiben können. Nein, er fährt schnurstracks auf den von mir beanspruchten, auf meinen Parkplatz! Mein Herzschlag ist in meinem Gesicht abzulesen. Mein Parkfeind musste doch sehen, dass ich beim Einparken war. Ich bin außer mir. Soviel Dreistigkeit ist doch nicht zu fassen. Ich reiße meine Tür auf und rufe ihm, während er aussteigt, zu: „Ich will hier parken!“ Seine Antwort fällt nur kurz aus: „Ich auch!“
Es gibt genügend freie Parkplätze und so fahre ich gezwungenermaßen auf einen anderen. Ich bin komplett durch den Wind. Diese Unverschämtheit versetzt mich in einen stechenden Zorn. Ich springe aus meinem Auto heraus und im schnellen Schritt zieht es mich zu meinem Parkfeind, der von seiner Frau begleitet wird. Ich baue mich in meiner ganzen Größe vor ihm auf, sehe ihn fest an und sage ihm, dass ich lange kein so idiotisches Verhalten mehr erlebt habe. Nein, nicht er, seine Frau antwortet mir, indem sie lapidar meint „Beruhigen Sie sich“. Und er? Sieht mich nur belämmert an.
Dieser Vorfall begleitet mich den ganzen Nachmittag und darüber hinaus. Dieser Mensch hat mich so zornig gemacht, sein Verhalten hat mir jede Gelassenheit und Spaß an meiner Aufgabe genommen, die ich mir für diesen Nachmittag vorgenommen habe. Er hat mein Herz zum Zerreißen gebracht, ich wäre beinahe explodiert.
Noch eine Woche später bohrt dieser Vorfall in mir. Ich erzähle die Geschichte meinem Freund Hans-Jürgen. Während er Steaks auf den Grill legt, schüttelt er den Kopf. Ich vermute ihn hinter mir und hoffe auf Bestätigung, doch er fragt mich: „Was ist am Ende das Problem?“ Na, so eine Reaktion hätte ich jetzt auch nicht erwartet. Ich wünsche mir Bestätigung und bekomme eine solche Frage. „Ist der Parkfeind dein Problem?“ Nein, das Problem, so muss ich zugeben, bin ich selbst mit meinem Zorn. Dieser Zorn bohrte sich in mich und fraß in mir. Er nahm mir ein großes Stück Lebensqualität. „Ja“, stimmt mir mein Freund zu. Er wendet die Steaks und fragt mich, ob ich nicht genügend Parkplätze gehabt hätte? „Da waren jede Menge freie Parkplätze und es wäre ganz einfach gewesen, ohne Stress zuverursachen, einen anderen Parkplatz zu nehmen“, antworte ich. Ich hätte diesen Mann nicht anraunzen müssen. „Wer weiß“, hakt meint Freund nach, „ob er es überhaupt bemerkt hat, dass du wieder auf den Parkplatz wolltest. Möglicherweise war er ins Gespräch mit seiner Frau vertieft… Wer weiß?“
Wenn ich jetzt so im Nachgang das Erlebnis Revue passieren lasse, hat er, mein Parkfeind, eine Verhaltensweise an den Tag gelegt, die bei mir eine stechende Kernproblematik zu Tage gefördert hat. Früher sprach man von den sieben Todsünden. Hier sind sie noch einmal sauber aufgelistet: Stolz, Geiz, Neid, Zorn, Wollust, Gier, Trägheit. Da findet sich auch mein Zorn wieder. Heute haben wir uns weiter entwickelt und so sprechen wir von den modernen Todsünden, die da wären: Gier, Arroganz, Selbstgerechtigkeit, Trägheit, Dummheit, Geiz, Ignoranz. Nein, da findet sich der Zorn nicht mehr, dennoch hat er Besitz von mir ergriffen. Die Dummheit findet sich da unter den aktuellen Todsünden und eine große Dummheit wäre es, wenn ich aus dem was mir auf dem Parkplatz passiert ist, nichts lernen würde.
Ich bin in der Lage, erlebte Situationen zu reflektieren und durch Nachdenken und Lernen gegen die Unwissenheit – früher sagte man auch Verblendung – vorzugehen. In Gedanken kann ich mich in den anderen Menschen hineinversetzen und meine Empathie steigern. Diese Vorgehensweise wird mir helfen gegen die Verblendung, Unwissenheit und Dummheit vorzugehen. Ich kann mich persönlich weiter entwickeln.
Fortsetzung folgt...
Dies ist ein Auszug aus dem Buch "Der ProjektManager und Fräulein Sophie", von Dr. Roland Ottmann. Das Buch können Sie
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