24.06.2022 -
Die Ideengeschichte ist ein Konzept, das dem Lean Thinking und der Agilität entspringt. Aber wissen Sie eigentlich genau, worum es bei der Ideengeschichte geht? Sie soll dabei helfen, im Kopf Begriffe zu sortieren und in den richtigen Zusammenhang zu setzen. Oftmals wissen Mitarbeiter nicht, welche Aufgaben ihre Führungskräfte haben oder sie nutzen ein Tool, von dem keiner im Team weiß, wozu es eigentlich da ist oder wofür es ursprünglich gedacht war.
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24.06.2022 -
Die Ideengeschichte ist ein Konzept, das dem Lean Thinking und der Agilität entspringt. Aber wissen Sie eigentlich genau, worum es bei der Ideengeschichte geht? Sie soll dabei helfen, im Kopf Begriffe zu sortieren und in den richtigen Zusammenhang zu setzen. Oftmals wissen Mitarbeiter nicht, welche Aufgaben ihre Führungskräfte haben oder sie nutzen ein Tool, von dem keiner im Team weiß, wozu es eigentlich da ist oder wofür es ursprünglich gedacht war. Jan Fischbach hat über dieses Thema im Leanmagazin online einen Artikel geschrieben, den wir im Folgenden für Sie zusammenfassen. Er leitet diesen mit einer Anekdote aus dem Jahr 2015 ein. Damals besuchte er ein Scrum Training, das Jeff Sutherland leitete und in dem dieser über ein Werk von Al Ward zum Thema Produktentwicklung beim Autohersteller Toyota sprach. Sutherland zitierte Al Ward: „Nach dem Krieg entdeckte die Luftfahrtindustrie den Computer. Mit Computern wurde erst konstruiert, dann simuliert, dann neu konstruiert, dann neu simuliert, usw.“ So ist nach der Meinung von Al Ward die Fertigkeit verloren gegangen, Trade-Off Kurven zu erfassen. Dieses Zitat ist im Kopf von Jan Fischbach hängen geblieben. Nach dem Seminar machte er sich an die Recherche, was Trade-Off Kurven eigentlich sind, wer sie erfunden hat und auf welchem Weg diese Methode nach Japan zu Toyota gelangt ist. Wozu brauchen leitende Ingenieure diese Kurven?
Fragen über Fragen
All diese Fragen brachten Jan Fischbach dazu, sich auf die Suche nach der Ideengeschichte von Scrum zu begeben. Er hat mittlerweile mehr als 80 Artikel und Bücher zu dem Thema verfasst und darf als absoluter Experte angesehen werden. Er hat während seiner Recherche Netzwerke mit bis zu 40 Individuen nachgestellt, um dabei wen auf welche Weise beeinflusst hat. Viele Autoren haben die Ideengeschichte in Teilen dokumentiert und untersucht. Die meisten Untersuchungen bezogen sich aber auch einzelne Bereiche.
Warum braucht man die Ideengeschichte?
In der Beratung, im Training und im Management wenden viele von uns Methoden und Techniken an, die wir zwar gut kennen und auch umsetzen beziehungsweise gezielt einsetzen können, von denen wir aber nicht wissen, woher sie kommen. Waren diese Methoden wirklich von Anfang an für diese Art von Anwendung gedacht? Wer die Geschichte hinter seiner Technik kennt und weiß für welches Problem eine Technik ursprünglich erfunden wurde, kann seine Kunden noch besser beraten. So ist es deutlich einfacher, Zusammenhänge zu erklären. Genauso wie es für eine Gesellschaft wichtig ist, aus ihrer Geschichte zu lernen und zu wissen „woher man kommt“, ist es wichtig für Anwender, die Historie ihrer Methoden zu kennen. Aus der Vergangenheit lässt sich nämlich immer lernen und sie hilft dabei, gewisse Dinge einzuordnen. Beim Scrum kommt laut Jan Fischbach ein ganz entscheidender Punkt dazu: Nur wer seine Scrum-Geschichte kennt, kann das Wissen darum weitergeben und damit verhindern, dass es einen Rückfall in alte Management-Methoden gibt. Nur so lässt sich international Fortschritt erreichen.
Geschichte – nicht Chronologie
Eine wichtige Unterscheidung muss gemacht werden. Wir sprechen hier von Geschichte und nicht einfach vom chronologischen Ablauf. In einer Ideengeschichte wird dargestellt, wie eine bestimmte Idee entstanden ist und wie sie sich an verschiedene Umstände angepasst hat. Oft geht es bei einer Ideengeschichte um die Geschichten verschiedener Menschen auf unterschiedlichen Kontinenten und aus sehr verschiedenen Bereichen. Es ist oft die Geschichte einer Zusammenarbeit.
Die Ideen hinter Scrum
Am Beispiel Scrum: welche Ideen stehen hinter Scrum? Jan Fischbach betrachtet Scrum im Zusammenspiel mit Lean Production beziehungsweise Lean Product Development. Hier kommen verschiedene Ideen zusammen:
- Laien werden durch kontinuierliche Verbesserung zu Experten
- Empirische Entwicklung von Produkten
- Wissensverbreitung
- Führung in komplexen Unternehmen
- Vom Flugzeug zum Fahrzeug
Mit der Systematisierung im Maschinenbau beginnt die empirische Produktentwicklung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine Maschine ist nun mehr als nur die Summe aller Teile. Maschinen werden zudem schnell komplexer und größer. Um neue Apparate zu entwickeln, muss also empirisch gearbeitet werden. Das bedeutet Vorbereitung aber eben auch Trial und Error. Ein Beispiel ist die Entwicklung von Flugzeugen, die mit neuen Methoden aus dem Maschinenbau gebaut wurde. Grafische Darstellungen von Flugprofilen wurden nötig und wichtig. So entstanden die Trade-Off Kurven, von denen zu Beginn des Artikels die Rede war. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stellten Nissan und Toyota in Japan Flugzeuge her. Und schließlich hatte all das einen Einfluss auf die Autobauer von heute.
Maschinenbau und Psychologie
Richtig spannend wurde es, als es an die Massenproduktion ging, dort fiel Psychologie mit Mechanik und Maschinenbau zusammen. Schon um 1880 untersuchten erste Elementarpsychologen Wahrnehmungs- und Bewegungsabläufe. Psychologiestudenten wurden zu Scientific Managern. Vom Scientific Management besteht eine klare Verbindung zum Konzept des Training within Industrie, das in den USA während des Zweiten Weltkrieges in der Ausbildung genutzt wurde und in den 1950er Jahren nach Japan kam. Es darf mit Recht als eine der Grundlagen für das Produktionssystem von Toyota bezeichnet werden.
Mit Zusammenarbeit zum Ziel
Schon am Ende des 18. Jahrhunderts gab es zum Beispiel in der preußischen Armee die Idee, dass Führung auch Zusammenarbeit sein kann. „Würde statt Ehre“ hieß der Slogan. Im Scientific Management wird hervorgehoben, dass eine ganzheitliche Führung unentbehrlich ist. Entscheidungen, die über die Köpfe der Mitarbeiter hinweg getroffen werden, haben weniger Erfolg als partizipative Entscheidungen. Nur so lässt sich nachhaltig eine Veränderung durchsetzen. Zuletzt kommt noch die Verbreitung von Wissen dazu und Jan Fischbachs Ideengeschichte ist komplett. Er betont, dass gerade in dieser Geschichte die entscheidenden Personen immer darauf geachtet haben, ihr Wissen zu teilen, alles kritisch zu hinterfragen und alle stets auf dem Laufenden zu halten. Um die bestmögliche Verbreitung zu erzielen, wurde nicht zuletzt auch viel gereist. Das hehre Ziel hinter dieser Ideengeschichte ist eine fortschrittlichere Gesellschaft.
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