18.04.2017 -
Jeder Projektmanager kennt die Situation, dass etwas „fast fertig“, „beinahe erledigt“ oder „so gut wie abgeschlossen“ ist. Bei solch schwammigen Aussagen stellt sich natürlich die Frage, ob man denn nun im Besprechungsprotokoll das Thema bereits abhaken kann oder noch eine Weile auf die letzten fünf, drei oder auch nur zwei Prozent warten muss, die noch ausstehen. Ständig sind Aufgaben „beinahe fertig“. Es fehlt nur noch ein winziges Stückchen der Wand, ein kleiner Handgriff an der Programmierung oder ein kleines Profil, das gerade noch irgendwo lackiert wird. Im Projektmanagement bekommt man ungewöhnlich häufig ...
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18.04.2017 -
Jeder Projektmanager kennt die Situation, dass etwas „fast fertig“, „beinahe erledigt“ oder „so gut wie abgeschlossen“ ist. Bei solch schwammigen Aussagen stellt sich natürlich die Frage, ob man denn nun im Besprechungsprotokoll das Thema bereits abhaken kann oder noch eine Weile auf die letzten fünf, drei oder auch nur zwei Prozent warten muss, die noch ausstehen. Ständig sind Aufgaben „beinahe fertig“. Es fehlt nur noch ein winziges Stückchen der Wand, ein kleiner Handgriff an der Programmierung oder ein kleines Profil, das gerade noch irgendwo lackiert wird. Im Projektmanagement bekommt man ungewöhnlich häufig die Antwort, dass etwas „fast fertig“ ist.
Das Fast-Fertig-Syndrom
Irgendwie klingt es natürlich auch positiv, wenn man behauptet, dass etwas fast fertig ist. Leider liegt die Betonung bei dieser Art Antwort viel zu oft auf dem „fast“, statt auf dem „fertig“. Dieses Verhalten spiegelt die Forderung nach Schnelligkeit, Effizienz, Erfolg und Fortschritt wieder, die in jedem Projekt stets allgegenwärtig ist. Kaum jemand will zugeben, dass eine Aufgabe länger dauert als geplant. Verständlicherweise möchten einige sich lieber damit schmücken, eine Aufgabe besonders schnell bzw. in time erledigt zu habe.
Dazu kommt, dass die letzten 10% oder 5% einer Arbeit oder Aufgabe oft nicht realistisch eingeschätzt werden, weil sich hier meist die schwierigsten, die technisch kniffligsten oder auch die noch nicht vollständig geklärten Arbeitsschritte verbergen. Häufig sind die vermeintlichen 10%, die noch ausstehen, prozentual teurer und aufwändiger. In Wirklichkeit sind es also oft nicht nur einfach 10% sondern vom Aufwand her deutlich mehr.
Gründe für die Fast-Fertig-Lüge
Warum neigen die Menschen dazu, ihren Fortschritt zu übertreiben? Ist eine Aufgabe schon einmal zur Hälfte erledigt stellt sich ein gewisses Sicherheitsgefühl ein und man neigt dazu, davon auszugehen, dass in Fragen der Kosten und der Zeit nun ebenfalls eine Halbzeit erreicht ist. Das ist jedoch in komplexen Projekten oft nicht realistisch. Ein weiterer Grund dafür, gerne mit "fast fertig" zu antworten rührt daher, dass man vor dem leitenden Projektmanager, dem Kunden und den Teamkollegen gut dastehen möchte. Es ist also nur menschlich, wenn man gerne ein wenig übertreibt. Für den Projektmanager wird es nun aber schwierig, einzuschätzen, wie der Projektfortschritt wirklich steht. Mit ein wenig Erfahrung gelingt es bald, die Dinge, die zu 95% fertig sind, realistisch einzuschätzen, vor allem dann, wenn man die Zeit findet und die Möglichkeit hat, den Fortschritt selbst zu beurteilen. Bei einem Bauprojekt ist dies natürlich deutlich einfacher, wenn es darum geht, zu prüfen, wie weit die Malerarbeiten gediehen sind, als einzuschätzen, ob die Programmierung einer Anlage zu 20, zu 50 oder zu 90% fertig ist. Dies liegt in der Natur der Sache. Vor allem bei diesen Aufgaben, bei denen der Projektmanager auf die Aussagen seines Teams und Zulieferer angewiesen ist, kann das problematisch werden. Der Projektmanager muss auf jeden Fall sehr darauf achten die verbliebenen und vermeintlich geringfügigen Arbeiten oder Aufgaben nicht zu unterschätzen und sollte dies durch gezieltes Fragen herausfinden.
Tricks um das Fast-Fertig-Syndrom zu bekämpfen
Es wird kein Projekt geben, bei dem dieses Syndrom vollständig vermieden werden kann. Der Projektmanager muss jedoch immer in der Lage sein, den Projektstand realistisch einzuschätzen. Hinterfragen lautet die Devise! Er muss seine Mitarbeiter und Mitstreiter kennen, wissen, wann sie dazu neigen, zu übertreiben, eventuell Probleme auf die leichte Schulter nehmen, etwas übersehen haben oder sich in einer Reihe aus fast fertigen Aufgaben verzetteln. Wenn eine Aufgabe ihrem Ende zugeht, sollte er lieber ein paar Fragen mehr stellen, um alle Probleme, die eventuell noch der Fertigstellung im Wege stehen, zu benennen, zu analysieren und gemeinsam zu lösen.
Wo immer es möglich ist, sollte der Projektmanager den Fortschritt überprüfen oder überprüfen lassen. Manchmal helfen Listen der noch ausstehenden Aufgaben. Je nach Komplexität kann es sinnvoll sein selbst eine Methode zur Fortschrittsmessung vorzugeben, was jedoch wegen des Teils unverhältnismäßig großen Aufwands nicht immer sinnvoll ist. Sollen in einem Projekt vier Verteilerschränke montiert werden und zwei sind montiert, kann man davon ausgehen, dass 50% erledigt sind. Bei anderen Aufgaben wie zum Beispiel einer Werbekampagne ist dies deutlich komplizierter. Da es bei komplexen Projekten ohnehin zu den Aufgaben des Projektmanagements gehört, den Fortschritt soweit es geht objektiv zu messen, stehen Analysetools, Meilensteine und Zeitpläne zur Verfügung, an denen man das Fortschreiten auch einzelner Unteraufgaben messen kann.
In jedem Projekt bekommt der Projektmanager zu hören „Es ist fast fertig“.
In den Projektmanagement-Seminaren von Ottmann & Partner wird deshalb unter anderem auch auf diese Thematik eingegangen.
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