26.04.2017 -
Ehrlich, so einen Saustall kann man nicht beschreiben. Ich erkläre ihm, dass ich um 8:00 Uhr mit einem Seminar beginnen müsse. „Kein Problem“, meint der nette Kellner, „um 7:30 Uhr kommt ein Reinigungsdienst und um 8:00 Uhr sollte alles passen“. Weil das aus meiner Sicht aber so nicht klappen kann, bitte ich ihn mir dabei zu helfen, Ordnung zu schaffen, die Tische zu stellen, die Unterlagen mit mir aus dem Auto zu holen und das alles jetzt gleich zu erledigen. Er stimmt freundlicherweise zu. Ein netter Mann! Nach ca. 45 Minuten ist alles soweit in Ordnung und ich bitte ihn mir mein Zimmer zu zeigen. Ohne seine Hilfe hätte ich dieses Zimmer nie ...
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26.04.2017 -
Ehrlich, so einen Saustall kann man nicht beschreiben. Ich erkläre ihm, dass ich um 8:00 Uhr mit einem Seminar beginnen müsse. „Kein Problem“, meint der nette Kellner, „um 7:30 Uhr kommt ein Reinigungsdienst und um 8:00 Uhr sollte alles passen“. Weil das aus meiner Sicht aber so nicht klappen kann, bitte ich ihn mir dabei zu helfen, Ordnung zu schaffen, die Tische zu stellen, die Unterlagen mit mir aus dem Auto zu holen und das alles jetzt gleich zu erledigen. Er stimmt freundlicherweise zu. Ein netter Mann! Nach ca. 45 Minuten ist alles soweit in Ordnung und ich bitte ihn mir mein Zimmer zu zeigen. Ohne seine Hilfe hätte ich dieses Zimmer nie gefunden, ich schwöre es. Er hilft mir auch noch meine Sachen auf das Zimmer zu bringen und dann verabschiedet er sich.
Ich falle erschöpft ins Bett. Meine Gedanken kreisen noch um das Erlebte. Ich denke mir, wie kann mein Kunde ein solches Hotel für die Durchführung eines Seminars auswählen? Übertriebene Sparsamkeit vielleicht? Der Einkäufer hat bestimmt nur nach dem Preis, nicht aber nach der Qualität gefragt. Dabei hat er womöglich übersehen, dass Sparwut und Kostenwahn zerstören, was unsere deutsche Volkswirtschaft international überhaupt erst konkurrenzfähig machte: die Qualität. Die Qualität des Hotels habe ich bis zu diesem Zeitpunkt schlechter als schlecht, sub omni canone (korrekt für unter allen Kanonen, d. h. unter dem Notensystem – Kanon (1-6)), erlebt.
Nach einer kurzen aber guten Nacht führt mich um 7:00 Uhr mein erster Weg zum Frühstücksraum, der erst um 7:30 Uhr geöffnet wird. Ich denke mir, dass es ja irgendwie so weitergehen muss wie es gestern angefangen hat. Das Frühstück ab 7:30 Uhr ist nicht schlecht. Ich frage die junge Dame vom Service, wann denn der Chef im Hause wäre. Sie lacht mich frech an und meint: „Gar nicht!“ „Was?“, frage ich. „Gar nicht, weil wir eine Chefin haben.“, gibt sie mir schelmisch lächelnd zur Antwort. „Prima“, kommt es bei mir schon fast zynisch. „Und wann ist Ihre Frau Chefin hier?“ „Nie vor 10:00 Uhr“, bekomme ich grinsend zur Antwort. „Gut, dann möchte ich die Chefin um 10:00 Uhr sprechen, ich möchte mich über viele Punkte, die wirklich nicht gut gelaufen sind, beschweren“. Ich lasse meinen Frust der letzten Stunden heraus. Ich kann gar nicht sagen, wie mich in diesem Moment das kommunikative Katz- und Mausspiel und das freche Grinsen der jungen Dame gestört haben.
Das Seminar läuft ab 8:00 Uhr wie geplant und gut an, um 8:30 Uhr werden wir durch ein Klopfen an der Tür gestört, eine Reinigungsfachkraft steckt den Kopf herein und fragt, ob sie sauber machen könnte… hierzu möchte ich keinen Kommentar mehr abgeben. Um 10:00 Uhr gehen wir pünktlich in die Kaffeepause. Mir tritt eine Dame mittleren Alters entgegen und stellt sich als Hotelchefin vor. Ich erzähle ihr von den Vorfällen und erkläre ihr, dass ich wirklich wütend gewesen bin. Darauf meint sie nur lapidar, dass sich ein kleines Landhotel unmöglich eine Rund-um-die-Uhr-Besetzung der Rezeption leisten könne. Ich kann das gut nachvollziehen, aber für mich war das zu diesem Zeitpunkt definitiv die falsche Antwort. Das teile ich ihr auch so mit. Worauf die nette Frau meint: „Was würden Sie mir denn empfehlen?“ Ich sagte zu ihr: „Nehmen Sie die Dinge, wie sie sind und lernen Sie sie schrittweise zu verbessern. Schauen Sie zum Beispiel den Eingangsbereich an. Er ist dunkel. Vorschlag: Bewegungsmelder installieren und der spät anreisende Gast sieht etwas. Werfen Sie die Eierkartons weg und lassen Sie ein offenes Regal, z.B. aus dem Einrichtungshaus IKEA montieren und legen dann dort die Briefkuverts für die anreisenden Gäste ab.“ „Welche Briefkuverts?“, wollte die Hotelchefin wissen. „Die Briefkuverts, in die Sie einen Lageplan des Hotels mit Zimmernummerierung und die Schlüssel legen. Für die Dame aus dem Frühstücksbereich hätte ich auch einen Tipp, was Kundenkommunikation anbelangt. Sie sollte mal mit dem Kellner aus der Gaststätte sprechen, vielleicht mal einige Abende hospitieren. Ihr Cappuccino war wirklich hervorragend und wenn ihr Benimm dann auch noch passt, wird das eine ziemlich runde Sache!“ Ich musste mich dann von der Hotelchefin verabschieden, weil unsere Pause zwischenzeitlich beendet war.
Noch auf dem Weg zurück zum Seminar stellte ich mir die Frage, was für mich eigentlich ein Produkt oder eine Dienstleistung gut macht. Ich definierte für mich die folgenden Anforderungen: schnörkellose Qualität, hochwertiges Material, klare und reine Form und der Anbieter einer Leistung darf Material und Funktion nicht voneinander getrennt entwickelt haben. Der Sinn der Leistung muss sich von Anfang an erschließen, d. h. man muss schnell und ohne Missverständnisse die Funktion erkennen und nutzen können.
Am Ende eines anstrengenden Seminartages kam ich um 19:30 Uhr auf mein Zimmer. Auf dem Sekretär stand eine Kühltasche …
Fortsetzung folgt...
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