01.06.2017 -
Jeder Projektmanager fürchtet sich davor, sich und seinem Team eines Tages eingestehen zu müssen, dass das Projekt nicht wie geplant zum genannten Termin fertig werden kann. Trotzdem kommt dieser Tag in nahezu jedem größeren Projekt, vor allem bei Bauprojekten, die auf mehrere Jahre angelegt sind. Wie kann das sein, wo doch jeder gute Projektmanager in seinem Zeitplan einen Puffer vorgesehen hat, um eventuelle Verzögerungen abzufangen? Woher kommt diese „Projekt-Krankheit“, ...
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01.06.2017 -
Jeder Projektmanager fürchtet sich davor, sich und seinem Team eines Tages eingestehen zu müssen, dass das Projekt nicht wie geplant zum genannten Termin fertig werden kann. Trotzdem kommt dieser Tag in nahezu jedem größeren Projekt, vor allem bei Bauprojekten, die auf mehrere Jahre angelegt sind. Wie kann das sein, wo doch jeder gute Projektmanager in seinem Zeitplan einen Puffer vorgesehen hat, um eventuelle Verzögerungen abzufangen? Woher kommt diese „Projekt-Krankheit“, niemals pünktlich fertig zu werden?
Projektmanagement und Pünktlichkeit
Gelobt seien an dieser Stelle alle Projekte, die nach Lehrbuch ablaufen und am Ende pünktlich fertig gestellt werden, so als wären sie einem Beispiel aus einem Seminar für Projektmanagement entsprungen. Selbst wer alle Tricks anwendet, die er im Seminar und im Studium gelernt hat, schafft es bei Großprojekten meist nicht, den ursprünglich angesetzten Termin einzuhalten. Dazu kommt, dass meist auch das Budget während des Projektverlaufs nach oben korrigiert werden muss, weil es zu unerwarteten Mehrkosten kommt. Liegt das an schlechter Planung – das würde ja bedeuten, dass diese Projektmanager alle schlechte Arbeit leisten. Sicher nicht!
Schon viele Wirtschaftswissenschaftler haben versucht, dieses Phänomen zu erklären und sind dabei auch zu einigen Erkenntnissen gelangt. Im Folgenden sind einige der Gründe für Verzögerungen und mögliche Erklärungen hierfür zusammengefasst.
Schätzungen bleiben Schätzungen
Im Projektmanagement müssen alle anfallenden Aufgaben rund um das Projekt geschätzt werden. Ganz zu Beginn, auf Basis der vor oder zu Projektstart vorliegenden Dokumente, Informationen und Pläne, erstellt der Projektmanager einen Zeitplan für das gesamte Projekt, aus dem sich dann auch der Endtermin ergibt.
Um diesen Zeitplan so realistisch wie möglich zu gestalten, schätzt er den Aufwand aller darin vorkommenden Aufgaben und Unteraufgaben so genau wie möglich ein. Dabei greift er auf Erfahrungswerte zurück und auf Angaben der ausführenden Dienstleister und Experten.
Das eigentliche Problem ist nun, dass diese Schätzwerte von allen Beteiligten als unumstößliche Wahrheiten angenommen werden und oftmals Termine aufgrund dieser Schätzungen verbindlich zugesichert werden müssen. Bei Summierung aller geschätzten Zeitaufwendungen multiplizieren sich natürlich auch die Unwägbarkeiten. So kommt es im Grunde auch häufig dazu, dass zu lange Zeiträume angesetzt werden, denn jeder, der eine Schätzung abgibt, achtet in der Regel darauf, ausreichend Puffer einzuplanen. Aus diesen recht großzügigen Schätzungen ergeben sich dann Leerlaufzeiten, die unglücklicherweise nicht oder erst zu spät kommuniziert werden.
Wenn eine Firma auf der Baustelle schneller fertig ist, bedeutet das leider nicht, dass die nächste Firma früher beginnt als geplant. Dies klappt in der Praxis fast nie, weil die Kapazitäten natürlich bereits anderweitig verplant sind. Jeder weiß, je mehr Zeit für Aufgaben zur Verfügung steht, desto länger zieht sich die Fertigstellung. Das wird als Parkinsonsches Gesetzt bezeichnet und kann auf jeder Baustelle beobachtet werden. Hinzu kommt, dass niemand seine vorher abgegebenen Schätzungen deutlich unterschreiten möchte. Wer immer deutlich schneller fertig ist als angenommen, dessen zukünftige Schätzungen werden grundsätzlich für zu großzügig angelegt gehalten. Deshalb versuchen die meisten Firmen, ihre Schätzzeiten auch dann einzuhalten, wenn sie eigentlich weniger Zeit benötigen würden.
Verzögerungen im Projekt
Viele Verzögerungen haben auch andere Gründe. Beispielsweise das Phänomen, dass viele Menschen gerne bis zu dem Moment warten, in dem sie der Zeitdruck wirklich ereilt, bevor sie mit einer Aufgabe beginnen. Wer sich einmal unter Studenten aufgehalten hat, der kennt diese Spezialisten, die lieber drei Tage und Nächte durcharbeiten als die Hausarbeit bequem innerhalb von zwei Wochen zu erledigen. Alle diese Studenten arbeiten später auf verschiedenen Projekten und bringen dieses Phänomen mit in die Arbeitswelt. Gerade bei diesen Kraftakten in letzter Minute geht eher etwas schief, weil sich das Fehlerpotenzial im Eifer des Gefechts erhöht: ein falscher Farbton wird bestellt, ein Balken falsch ausgemessen, ein Mitarbeiter fällt krankheitsbedingt aus, was nun den kompletten Zeitplan gefährdet, oder – auch schon geschehen – unter Zeitdruck wird ein Plan falsch herum gehalten.
Das alles hätte längst nicht solch gravierende Folgen, wenn es nicht immer dann geschehen würde, wenn im Grunde keine Zeit für Anpassungen und eine „zweite Runde“ mehr bleibt. Verzögerungen werden dann von einer zur nächsten Aufgabe weitergereicht und dehnen sich immer weiter aus. Eine Aufgabe wird drei Tage später beendet als geplant, der nächste beginnt dann nicht gerne an einem Donnerstag oder Freitag und kündigt seine Intervention für den folgenden Montag an, womit die Verzögerung schon eine Woche beträgt. Nun kann es natürlich sein, dass er in der folgenden Woche nur zwei seiner vier Mitarbeiter zur Verfügung hat, weil ein anderes Projekt parallel läuft und schon ergeben sich längere Verzögerungen, die das Projektmanagement unmöglich von Anfang an voraussehen kann.
Fazit
Es entstehen aus den verschiedensten Gründen Verzögerungen, die sich von einer zur nächsten Aufgabe übertragen und gegenseitig verstärken. Nun steht das Projektmanagement vor der Entscheidung, entweder die Verzögerung hinzunehmen oder für einen Mehrpreis zusätzlich Verstärkung zu organisieren, Nacht- und Wochenendarbeit zu fordern oder andere Unterstützung zu organisieren.
In einem Seminar bei Ottmann und Partner kann man als Projektmanager lernen, wie man mit diesen Phänomenen umgehen und sie so gut es geht abfangen kann. Trotzdem wird es wohl weiterhin so bleiben, dass Projekte mit Verspätung beendet werden, weil es einfach in der Natur der Sache liegt. Ein guter Projektmanager minimiert diese Verzögerung aber soweit wie möglich.
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