08.08.2018 -
„Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht. Und mach‘ dann noch ,nen zweiten Plan, gehen tun sie beide nicht.“, so dichtete Berthold Brecht für seine 1928 uraufgeführte Dreigroschenoper und zeigte damit, dass Scheitern auch bei bester Planung eintreten kann. Was passiert dann erst bei schlechter Planung? Eines ist sicher, ganz oft passiert gar nichts.
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08.08.2018 -
Dies ist ein Auszug aus dem Buch "Der Projektmanager und Fräulein Sophie" von Dr. Roland Ottmann, das bald in neuer Auflage erscheint.
„Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht. Und mach‘ dann noch ,nen zweiten Plan, gehen tun sie beide nicht.“, so dichtete Berthold Brecht für seine 1928 uraufgeführte Dreigroschenoper und zeigte damit, dass Scheitern auch bei bester Planung eintreten kann. Was passiert dann erst bei schlechter Planung? Eines ist sicher, ganz oft passiert gar nichts. Man hat sich kein Ziel gesteckt, den Weg zum nicht gesteckten Ziel nicht in Gedanken vorweggenommen, man ist auch nicht losgelaufen, deshalb ist auch nichts geschehen. Vielleicht ist man losgelaufen und auch irgendwo rausgekommen, hatte Spaß und Kurzweile auf dem Weg, den man planlos gegangen ist. Super, herzlichen Glückwunsch! Alternativ sehen wir uns eine andere Variante an. Bei dieser Vorgehensweise habe ich mir ein Ziel gesteckt, aber nicht geplant, wie ich den Weg beschreiten soll. Mein Scheitern muss nicht vorprogrammiert sein. Zumindest für den Fall, dass ich alle Zeit der Welt und genügend Reserven habe, werde ich mein Ziel erreichen, irgendwann und irgendwie. Sollte etwas Unvorhergesehenes dazwischen kommen, kann ich das als willkommene Abwechslung ansehen und mich mit großer Freude darauf einlassen. Ich lebe nach dem Motto: „Unverhofft kommt oft“ und freue mich des Lebens.
Nun komme ich langsam in eine Zwickmühle, denn die beiden skizzierten Varianten sind alles in allem sehr gefahrlos, aber in unserem Wirtschaftsumfeld und Berufsleben leider nur im Urlaub, am Feierabend oder im Ruhestand umsetzbar. Was geschieht dazwischen? Dazwischen, also zwischen den Urlauben, zwischen Arbeitsbeginn und Feierabend, zwischen Start des Berufslebens und dem Ruhestand? Unruhestand. Das bedeutet, wir sind in Bewegung, wir tun etwas, in der Regel Zielgerichtetes, Planvolles – und scheitern. Dazu sind wir verurteilt: zu scheitern – immer und immer wieder.
In „Wahlverwandtschaften“ sagt Goethe: „Die Schwierigkeiten wachsen, je näher man dem Ziel kommt.“ Jetzt, so kurz vor dem Ziel, zu scheitern wäre wirklich ärgerlich, denn alle Anstrengung und die ganze Arbeit wären nutzlos gewesen. Durchhalten sagt sich leicht, doch es gilt: „When the going gets tough, the tough get going.“ Nur die Härtesten werden Steine, nur die Besten kommen durch und erreichen ihr Ziel. Das Ziel erreichen, ja, das will ich schon. Aber Stein – tot und gefühllos, nein, das möchte ich dabei nicht werden. Also wie packe ich es an? Alles beginnt damit zu definieren, an welches Ziel ich kommen soll oder muss. Häufig stelle ich bei der Definition des Zieles fest, dass es unterschiedliche Vorstellungen diesbezüglich gibt. Diese Unterschiedlichkeit deutet bereits auf einen Konflikt zwischen den verschiedenen Interessengruppen in unserem System hin. Werfen wir einmal einen Blick auf das große Projekt „Europäische Währung“. Hier gab es ab Projektstart große, offensichtliche, aber auch viele kleine, versteckte Interessenunterschiede. Einigen kann man nun nach vielen Jahren leicht auf die Spur kommen, denn wir sehen deren negative Auswirkungen.
Um nun das große Ziel zu erreichen, muss noch einmal an den Ausgangspunkt des Projekts gegangen und die Konflikte zwischen den Partnern gelöst werden. Wir sehen, dass eine Zielbeschreibung, die keine vollständige, abgestimmte Aufzählung der Ein- und Ausgaben enthält, ein System zum Scheitern bringen kann. Wir dürfen jetzt nicht den Fehler begehen, diese Schuld des Scheiterns bei den Menschen zu suchen. Die Schuld des Scheiterns liegt in der Spezifikation des Ziels und der Kalkulation der Ein- und Ausgaben. Das zu einem guten Ergebnis zu bringen, Konflikte rauszunehmen und Konsens zu erzielen ist die Aufgabe, die kraftvoll angegangen werden muss. Gelingt das, werden wir den nächsten großen Wurf machen können. Eines weiß ich aber schon jetzt, wir werden neue Probleme bekommen. Wenn wir keine reellen Aussichten auf den Erfolg haben, müssen wir ein Projekt beenden, ohne Wenn und Aber. Doch das Projekt der „Europäischen Währung“ hatte und hat immer noch alle Aussichten auf Erfolg. Wir müssen nur das neue große Ziel definieren – Vereinigte Staaten von Europa – eine klare Zielbeschreibung und eine saubere Spezifikation erstellen und tatkräftig voranschreiten. Eine gesunde Währung wird dann ein Abfallprodukt des neuen Zielsystems sein. Ich bin sehr zuversichtlich, dass unsere politischen Führer das schaffen werden. Sie wissen schließlich, was für die Völker Europas davon abhängt. Jetzt, am Ende des Projekts „Euro“, jetzt, wo es schwierig wird, zeigen sich die Qualitäten des Managers. Die Ergebnisse sind noch nicht optimal, das Wertesystem, unser europäisches Wertesystem, das ist aber in Ordnung, also geben wir den Managern – und das heißt unseren Regierungen – eine zweite Chance. Sie werden das Resultat verbessern und uns beweisen, dass sie das Zeug zu erstklassigen Führern haben, davon bin ich überzeugt. Es dauert ein wenig mehr Zeit als wir zubilligen möchten, aber es wird. Schlimm wäre es allerdings, wenn unser Wertesystem schlecht wäre, dann müssten wir davon ausgehen, dass sich unsere Volksvertreter (vielleicht sehr korrupt) selbst bereichern wollen, aber unser gemeinsames Unternehmen „Europa“ gegen die Wand fahren. Dann müssten wir uns als Stakeholder überlegen, was wir tun können, um das Scheitern einer großartigen Idee zu verhindern. Gelänge dies nicht, würden wir aus einer Krise (gr. Krisis: etwas, das zu einer instabilen, gefährlichen Situation führen kann) auf lange Sicht gesehen, nicht herauskommen. Katastrophal wäre dies wohl nicht (Katastrophe: unvorhergesehenes Ereignis, auf das man sich nicht einstellen kann), denn wir haben genügend kluge Köpfe, die die verschiedenen Krisenszenarien beleuchten und wohl für alle Eventualitäten einen Lösungsansatz finden.
Ich persönlich fände es gut, wenn bei all dem was ansteht, erkannt werden würde, dass man die Gesamtleistung stärker durch das Eindämmen der Misserfolge als durch das Optimieren der Erfolge verbessern kann. Es gilt also die Verluste zu begrenzen, oder anders ausgedrückt, wenn das Unternehmen schon zum Scheitern verurteilt ist, muss man schneller scheitern. In jedem Projekt gilt es, nicht zu lange zu warten. Auf den genialen Geistesblitz oder den bahnbrechenden Einfall braucht man nicht zu hoffen, der kam in der Vergangenheit nicht und wird auch in der Zukunft ausbleiben. Wenn der Projektmanager geschickt ist, kombiniert er bestehende Elemente, auf die er bereits zurückgreifen kann. Er unterlässt es aber die gleichen Fehlkonstruktionen ein zweites Mal anzuwenden.
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